Verlegung der Stolpersteine für Betty Strauß, Marie Wertheimer und Jette Wertheimer am 9. Mai 2022 in Wachbach

Beeindruckend, wie viele Wachbacherinnen und Wachbacher bei bestem Wetter an einem Montagnachmittag zur Verlegung der Stolpersteine zuerst an die Dorfstraße und später zum Ritterplatz kamen, um an die drei Wachbacherinnen Betty Strauß, Marie Wertheimer und Jette Wertheimer zu erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden.

Verlegung des Stolpersteins für Betty Strauß an der Dorfstraße

Maria und Josef Bopp, die Paten für den Stolperstein für Betty Strauß, betonten in ihrem Beitrag „Es ist Zeit …“, dass es nach 70 Jahren an der Zeit ist, an das Unrecht und Leid zu erinnern und sich auch in Wachbach der Verantwortung zu stellen.

„Es ist Zeit …“ Josef und Maria Bopp

In einer bewegenden Rede auf Deutsch von Marian Strauss Houston, der Enkelin von Betty Strauß, schilderte sie die Flucht ihrer Eltern vor den Nazis, ausgehend von Berlin über Belgien, Südfrankreich (hier wurde Marian geboren), Spanien bis nach Lissabon, von wo aus sie mit dem Schiff in die USA übersetzen konnten. Sie kann sich noch an folgendes erinnern, als sie etwa 5 Jahre alt war: „Mein Vater nahm mich zu einem sehr großen Gebäude mit, dem Zentrum des Rotes Kreuzes. Dort erfuhr er, dass seine Mutter 1942 im Konzentrationslager Treblinka umgekommen war. Danach redete mein Vater einige Tage nicht mehr, er schwieg vor sich hin.“ Zum Abschluss bedankte sie sich, dass sie in Frieden und Freundschaft hier sprechen durfte. Ihr war aber auch wichtig zu betonen, dass es in ihrem Land, den USA, Zeit ist, die Sklaverei ähnlich offen zu diskutieren wie hier den Holocaust.

Marian Straus Houston, Enkelin von Betty Strauß, bei ihrer Rede

Michael Schoenberger, ein Urenkel von Betty Strauß, betonte, dass die heutige Generation an Zeiten guten Zusammenlebens anknüpfen kann, ohne die Verbrechen der Vergangenheit zu vergessen.

Michael Schoenberger
Katja Demnig verlegt den Stolperstein für Betty Strauß

Rudolf Strauß, der Ehemann von Betty, starb 1935 und ist auf dem jüdischen Friedhof in Unterbalbach begraben. Marian Houston und Michael Schoenberger besuchten das Grab. Mit dem Stolperstein gibt es jetzt auch für Betty Strauß einen Ort der Erinnerung.

Marian Houston und Michael Schoenberger am Grabstein von Rudolf Strauß in Unterbalbach (Foto: Beate Laumeyer)
Stolperstein für Betty Strauß (Foto: Beate Laumeyer)

Verlegung der Stolpersteine für Marie Wertheimer und Jette Wertheimer am Ritterplatz

Informationen zu Marie und Jette Wertheimer wurden von Annemarie Baier vorgestellt. Sie gab den Anstoß für die Erinnerung an die Wachbacherinnen jüdischen Glaubens und beendete ihre Rede mit „Das waren Frauen wie mia, und die hoben gschwätzt wie mia.“

Fragen an Marie und Jette Wertheimer stellte Brigitte Kaupat, die zusammen mit Axel Bähr die Patenschaft für die beiden Stolpersteine übernommen hat. Die Quellenlage zu den beiden Frauen ist dürftig. Was wussten sie, als sie abgeholt wurden? Was wurde ihnen erzählt? Wie ist es ihnen auf den Transporten ergangen? Wie mussten sie die Zeit in den Konzentrationslagern verbringen? Wie starben sie? Ein paar wenige Antworten lassen die Zeichnungen von Helga Weissová erahnen, die Brigitte Kaupat für die Anwesenden in Kopie verteilt hatte.

Foto: Während der Rede von Brigitte Kaupat verlegt Katja Demnig die Stolpersteine für Marie und Jette Wertheimer.

Paul Bopp erinnert sich: Paul Bopp war damals ein Bub von etwa neun Jahren. Seine Tochter trägt einige Erinnerungen für ihn vor: „Wir Kinder haben das Holz, wenn es trocken war, in einen kleinen Kellerraum hinter das Haus getragen. Dafür gab es dann immer ein paar Pfennige von den beiden Frauen. Irgendwann gab es Zuteilungen, ich weiß, dass es für Jette und Marie nie gereicht hat, nicht das Holz, nicht die Kohlen, nicht die Lebensmittel. Ich kann mich auch an den Judenstern erinnern. Wenn Marie und Jette nach draußen gingen, hatte sie eine Handtasche dabei, die sie so trugen, dass man den Stern nicht sah. Wenn ein Nazi das sah wurden sie von ihm mit den Worten: „Hand runter, der Stern muss sichtbar getragen werden“ zurechtgewiesen.“

Paul Bopp mit seiner Tochter
Die Stolpersteine für Marie und Jette Wertheimer am Ritterplatz (Foto: Beate Laumeyer)

Ein großes DANKE geht an Ortsvorsteher Herman Dehner für die großartige Unterstützung und an Beate Laumeyer für die Vorbereitungen.

Ein herzliches Dankeschön geht auch an …

… das Trio der Musikkapelle Wachbach,

… an Matthias Hojsak  vom Wachbacher Bauhof,

… an Helga Rausch, Marliese Mühleck und Uschi Dehner für die liebevolle Bewirtung, und
… an alle Wachbacherinnen, Wachbacher und Freunde aus den USA und Bad Mergentheim, die durch ihr Kommen ihre Wertschätzung für die Erinnerung an ein Stück Wachbacher Geschichte zum Ausdruck gebracht haben, so dass die Verlegung der Stolpersteine zu einem würdigen und festlichen Ereignis wurde.

Fotos, soweit nicht anders angegeben von Stefan Haag, Verein Stolpersteine Bad Mergentheim e.V.

Weitere Informationen und alte Familienfotos zu Betty Strauß, Marie Wertheimer und Jette Wertheimer sind auf der Homepage des Vereins Stolpersteine Bad Mergentheim e.V. zu finden (www.stolpersteine-mgh.de Biographien).